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An Frau Gertrud.




 

Im einsamsten Gemach meines Schlosses, unter der Wö lbung des schmalen Fensters, sitzest du oft, Freundlichste unter meinen Toten. Ü ber alles Zusammensein und Hä ndehalten hinaus dauert noch deine unbegreifliche, gü tige Gegenwart, wie eines Sternes, der verschollen ist und dessen Strahlen doch lange Zeiten noch zu uns reichen.

Ich kann nicht mehr zä hlen, wie oft ich unter dem Himmel der Vita Nuova gewandelt bin. Ich kann nicht zä hlen, wie oft ich verzweifelte, ein anderes Bild deiner Erscheinung zu finden.

Keine Schö nheit, wenn nicht die jenes sü ssesten Gedichtes, ist dir zu vergleichen. Mir ist oft, als wä rest du die gewesen, die einst an dem entrü ckten Dante vorü ber ging, und wä rest nur einmal noch ü ber die Erde gewandelt, im Schatten meiner sehnsü chtigen Jugend. Dass ich dich mit leiblichen Augen gesehen habe, dass deine Hand in der meinen lag, dass dein leichter Schritt neben dem meinen ü ber den Boden ging, ist das nicht eine Gnade der Ü berirdischen, ist das nicht eine segnende Hand auf meiner Stirn, ein Blick aus verklä rten Augen, eine Pforte, die mir in das Reich der ewigen Schö nheit geö ffnet ward?

In Schlafträ umen sehe ich oft deine leibliche Gestalt und sehe die feingliedrigen, weissen Finger deiner adligen Hä nde auf die Tasten des Flü gels gelegt. Oder ich sehe dich gegen Abend stehen, die Farbenwende des erblassenden Himmels betrachtend, mit den Augen, welche von der wunderbaren Kenntnis des Schö nen voll tiefen Glanzes waren. Diese Augen haben mir unzä hlige Kü nstlerträ ume geweckt und gerichtet. Sie sind vielleicht das Unschä tzbarste, was meinem Leben gegeben wurde, denn sie sind Sterne der Schö nheit und Wahrhaftigkeit, voll Gü te und Strenge, unbetrü glich, richtend, bessernd und belohnend, Feinde und Rä cher alles Unwerten, Unwesenhaften und Zufä lligen. Sie geben Gesetze, sie prü fen, sie verurteilen, sie beglü cken mit ü berschwenglichem Glü ck. Was ist Vorteil, was ist Gunst, was ist Ruhm und menschliches Lob ohne die Gewä hrung und das gnä dige Leuchten dieser unbestechlichen Lichter!

Der Tag ist laut und grausam, fü r Kinder und Krieger gerecht, und alles Tagleben ist vom Ungenü gen durchträ nkt. Ist nicht jeder eindä mmernde Abend eine Heimkehr, eine geö ffnete Thü r, ein Hö rbarwerden alles Ewigen? Du Wunderbare hast mich gelehrt, heimzukehren und mein Ohr den Stimmen der Ewigkeit zu ö ffnen. Du sagtest, als schon das letzte Thor bereit war vor dir die Flü gel aufzuthun, zu mir die Worte: „Lass dir die Abende heilig sein und drä nge ihr Schweigen nicht aus deiner Wohnung. Auch vergiss der Sterne nicht, denn sie sind die obersten Sinnbilder der Ewigkeit. “

Und ein andermal hast du gesagt: „Denke daran, auch wenn ich dir genommen bin, Frieden mit den Frauen zu halten, denn alle Geheimnisse stehen ihnen am nä chsten. “ Seither habe ich mit niemandem solche Gesprä che ohne Worte gehabt, wie mit Sternen und Frauen.

 

In der Stunde, da wir unsre Freundschaft beschlossen, trat noch Einer zu uns, unsichtbar und unbegreiflich, ein Geist und Schutzgott. Mir ist, er habe unsichtbare Geberden eines Segnenden ü ber mir gemacht, und jene Worte geredet; apparuit jam beatitudo vestra. Dieser ist seitdem bei mir geblieben und hat sich vielfä ltig oft an mir erwiesen, als ein Arm des Trostes, als ein Rä tseldeuter, als Dritter eines Glü ckes. Oft war meine Hand zu Ü bereilungen hingeboten und er drä ngte sie zurü ck; oft war ich einer Schö nheit vorü bergegangen und er nö tigte mich still zu stehen und zurü ckzublicken; oft wollte ich ein grü nes Glü ck vom Ast brechen, und er riet mir: „Warte noch! “

Was versö hnlich und liebenswü rdig ist, was holde Stimmen hat und trö stliche Bedeutungen, was selten, edel und von abgesonderter Schö nheit ist, hat seitdem eine sichtbare Seite fü r mich und irgend einen Weg zu meinen Sinnen. Die Strö me in der Nacht reden mir deutlicher, die Sterne kö nnen nicht mehr ohne mein Mitwissen auf- und niedersteigen.

 

Dieser mein Trö ster und unsichtbarer Dritter kam auch an einem Tage zu mir, da mein Herz den Takt verloren hatte und mein Auge zu erblinden schien. Er glä ttete meine Stirn, er lehnte zuweilen an mich und sagte mir etwas ins Ohr, er ging vorü ber und drü ckte mir die Hand. Du aber lagest in lauter Theerosen gebettet, voller Friede, voller Verklä rung, freundlich, aber ohne Lä cheln. Du lagst und rü hrtest keine Hand, lagst und warst kalt und weiss.

Diese Stunde erschien mir als eine unergrü ndlich schwarze Nacht. Ich stand in dichter Finsternis und wusste nicht wo ich war, ohne Nä he und Ferne, wie von erloschenen Lichtern umgeben. Ich stand unbewegt und fü hlte auf allen Seiten Abgrü nde neben mir offen, spü rte nur meine ineinander gelegten Hä nde hart und kalt, und glaubte an kein Morgen mehr. Da stand der Trö ster neben mir, umschlang mich mit festen Armen und bog mein Haupt zurü ck. Da sah ich im Zenith eines unsichtbaren Himmels inmitten der vollkommenen Finsternis einzig einen hellen, milden, strahlenlosen Stern von seliger Schö nheit stehen. Als ich diesen sah, musste ich eines Abendes gedenken, an dem ich mit dir im Walde ging. Ich hatte meinen Arm um dich gelegt und plö tzlich zog ich dich ganz an mich her und bedeckte dein ganzes Gesicht mit schnellen, durstigen Kü ssen. Da erschrakest du, drä ngtest mich ab und sahest wie verwandelt aus. Und sagtest: „Lass, Lieber! Ich bin dir nicht zu Umarmungen gegeben. Der Tag ist nicht fern, an dem du mich mit Hä nden und Lippen nicht mehr erreichen wirst. Aber dann kommt die Zeit, dass ich dir nä her sein werde als heute und jemals. “ Diese Nä he ü berfiel mich plö tzlich mit unendlicher Sü ssigkeit, wie ein vö lliges Aug in Auge, wie ein Kuss ohne Ende. Was ist alle Liebkosung gegen dieses namenlose Vereinigtsein!

Auf Wanderungen durch die Orte, an denen wir beisammen waren, kam diese Wonne spä ter noch manchmal ü ber mich, schon lange Zeit nach deinem Tode. Einmal, als ich im Schwarzwalde bergan durch einen dunklen Forst wanderte, sah ich deine helle Gestalt von der Hö he her mir entgegen gehen. Du kamst mit deinem alten Hä ndewinken den Berg herab, begegnetest mir und warst verschwunden, wä hrend zugleich deine Gegenwart mein Inneres sü ss und tief erfü llte.

Am hä ufigsten aber trittst du an den Himmel meiner Trä ume wie damals am Tag meiner grö ssten Finsternis, als der milde Stern der Gnade, voll seliger Schö nheit.

Am einen Abende, als Musik und lautes Gesprä ch dich bis in die letzten Gartenwege verfolgte, fand ich dich dort auf und nieder gehend, gab dir meinen Arm und begleitete dich. Da sagtest Du: „Wenn ich nicht mehr hier sein werde und wenn du selber einmal leiser geworden bist, wird vielleicht dieser vergehende Abend und mancher, der schon vergangen ist, dir gegenwä rtiger und wirklicher sein als deine eigene Hand. Dann wirst du Mitternachts irgendwo in deinem Zimmer wach sein, vielleicht weit von hier. Vor deinen Fenstern aber wird die nahe Welt zurü ckweichen und du wirst glauben, diesen Weg und uns beide darauf wandeln zu sehen. “

Heute nun liegt dieser Abend vor mir, in die entfernte Musik mischen sich wieder unsere leisen Stimmen, dass ich nicht weiss, ob jener Abend oder der heutige wirklich und vom irdischen Monde erleuchtet ist.

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