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Von der Wissenschaft




Also sang der Zauberer; und Alle, die beisammen waren, giengen gleich Vögeln unvermerkt in das Netz seiner listigen und schwermüthigen Wollust. Nur der Gewissenhafte des Geistes war nicht eingefangen: er nahm flugs dem Zauberer die Harfe weg und rief»Luft! Lasst gute Luft herein! Lass Zarathustra herein! Du machst diese Höhle schwül und giftig, du schlimmer alter Zauberer!

Du verfährst, du Falscher, Feiner, zu unbekannten Begierden und Wildnissen. Und wehe, wenn Solche, wie du, von der Wahrheit Redens und Wesens machen!

Wehe allen freien Geistern, welche nicht vor solchen Zauberern auf der Hut sind! Dahin ist es mit ihrer Freiheit: du lehrst und lockst zurück in Gefängnisse, –

– du alter schwermüthiger Teufel, aus deiner Klage klingt eine Lockpfeife, du gleichst Solchen, welche mit ihrem Lobe der Keuschheit heimlich zu Wollüsten laden!«

Also sprach der Gewissenhafte; der alte Zauberer aber blickte um sich, genoss seines Sieges und verschluckte darüber den Verdruss, welchen ihm der Gewissenhafte machte.»Sei still! sagte er mit bescheidener Stimme, gute Lieder wollen gut wiederhallen; nach guten Liedern soll man lange schweigen.

So thun es diese Alle, die höheren Menschen. Du aber hast wohl Wenig von meinem Lied verstanden? In dir ist Wenig von einem Zaubergeiste.«

»Du lobst mich, entgegnete der Gewissenhafte, indem du mich von dir abtrennst, wohlan! Aber ihr Anderen, was sehe ich? Ihr sitzt alle noch mit lüsternen Augen da –:

Ihr freien Seelen, wohin ist eure Freiheit! Fast, dünkt mich's, gleicht ihr Solchen, die lange schlimmen tanzenden nackten Mädchen zusahn: eure Seelen tanzen selber!

In euch, ihr höheren Menschen, muss Mehr von Dem sein, was der Zauberer seinen bösen Zauber- und Truggeist nennt: – wir müssen wohl verschieden sein.

Und wahrlich, wir sprachen und dachten genug mitsammen, ehe Zarathustra heimkam zu seiner Höhle, als dass ich nicht wüsste: wir sind verschieden.

Wir suchen Verschiednes auch hier oben, ihr und ich. Ich nämlich suche mehr Sicherheit, desshalb kam ich zu Zarathustra. Der nämlich ist noch der festeste Thurm und Wille –

– heute, wo Alles wackelt, wo alle Erde bebt. Ihr aber, wenn ich eure Augen sehe, die ihr macht, fast dünkt mich's, ihr sucht mehr Unsicherheit,

– mehr Schauder, mehr Gefahr, mehr Erdbeben. Euch gelüstet, fast dünkt mich's so, vergebt meinem Dünkel, ihr höheren Menschen –

– euch gelüstet nach dem schlimmsten gefährlichsten Leben, das mir am meisten Furcht macht, nach dem Leben wilder Thiere, nach Wäldern, Höhlen, steilen Bergen und Irr- Schlünden.

Und nicht die Führer aus der Gefahr gefallen euch am besten, sondern die euch von allen Wegen abführen, die Verführer. Aber, wenn solch Gelüsten an euch wirklich ist, so dünkt es mich trotzdem unmöglich.

Furcht nämlich – das ist des Menschen Erb- und Grundgefühl; aus der Furcht erklärt sich jegliches, Erbsünde und Erbtugend. Aus der Furcht wuchs auch meine Tugend, die heisst: Wissenschaft.

Die Furcht nämlich vor wildem Gethier – die wurde dem Menschen am längsten angezüchtet, einschliesslich das Thier, das er in sich selber birgt und fürchtet: – Zarathustra heisst es»das innere Vieh.«

Solche lange alte Furcht, endlich fein geworden, geistlich, geistig – heute, dünkt mich, heisst sie: Wissenschaft.«–

Also sprach der Gewissenhafte; aber Zarathustra, der eben in seine Höhle zurückkam und die letzte Rede gehört und errathen hatte, warf dem Gewissenhaften eine Hand voll Rosen zu und lachte ob seiner»Wahrheiten«.»Wie! rief er, was hörte ich da eben? Wahrlich, mich dünkt, du bist ein Narr oder ich selber bin's: und deine»Wahrheit«stelle ich rucks und flugs auf den Kopf.

Furcht nämlich – ist unsre Ausnahme. Muth aber und Abenteuer und Lust am Ungewissen, am Ungewagten, – Muth dünkt mich des Menschen ganze Vorgeschichte.

Den wildesten muthigsten Thieren hat er alle ihre Tugenden abgeneidet und abgeraubt: so erst wurde er – zum Menschen.

Dieser Muth, endlich fein geworden, geistlich, geistig, dieser Menschen-Muth mit Adler-Flügeln und Schlangen-Klugheit: der, dünkt mich, heisst heute –«

» Zarathustra «! schrien Alle, die beisammen sassen, wie aus Einem Munde und machten dazu ein grosses Gelächter; es hob sich aber von ihnen wie eine schwere Wolke. Auch der Zauberer lachte und sprach mit Klugheit:»Wohlan! Er ist davon, mein böser Geist!

Und habe ich euch nicht selber vor ihm gewarnt, als ich sagte, dass er ein Betrüger sei, ein Lug- und Truggeist?

Sonderlich nämlich, wenn er sich nackend zeigt. Aber was kann ich für seine Tücken! Habe ich ihn und die Welt geschaffen?

Wohlan! Seien wir wieder gut und guter Dinge! Und ob schon Zarathustra böse blickt – seht ihn doch! er ist mir gram –:

– bevor die Nacht kommt, lernt er wieder, mich lieben und loben, er kann nicht lange leben, ohne solche Thorheiten zu thun.

Der – liebt seine Feinde: diese Kunst versteht er am besten von Allen, die ich sah. Aber er nimmt Rache dafür – an seinen Freunden!«

Also sprach der alte Zauberer, und die höheren Menschen zollten ihm Beifall: so dass Zarathustra herumgieng und mit Bosheit und Liebe seinen Freunden die Hände schüttelte, – gleichsam als Einer, der an Allen Etwas gutzumachen und abzubitten hat. Als er aber dabei an die Thür seiner Höhle kam, siehe, da gelüstete ihn schon wieder nach der guten Luft da draussen und nach seinen Thieren, – und er wollte hinaus schlüpfen.

Unter Töchtern der Wüste

»Gehe nicht davon! sagte da der Wanderer, welcher sich den Schatten Zarathustra's nannte, bleibe bei uns, es möchte uns sonst die alte dumpfe Trübsal wieder anfallen.

Schon gab uns jener alte Zauberer von seinem Schlimmsten zum Besten, und siehe doch, der gute fromme Papst da hat Thränen in den Augen und hat sich ganz wieder auf's Meer der Schwermuth eingeschifft.

Diese Könige mögen wohl vor uns noch gute Miene machen: das lernten Die nämlich von uns Allen heute am Besten! Hätten sie aber keine Zeugen, ich wette, auch bei ihnen fienge das böse Spiel wieder an –

– das böse Spiel der ziehenden Wolken, der feuchten Schwermuth, der verhängten Himmel, der gestohlenen Sonnen, der heulenden Herbst-Winde,

– das böse Spiel unsres Heulens und Nothschreiens: bleibe bei uns, oh Zarathustra! Hier ist viel verborgenes Elend, das reden will, viel Abend, viel Wolke, viel dumpfe Luft!

Du nährtest uns mit starker Manns-Kost und kräftigen Sprüchen: lass es nicht zu, dass uns zum Nachtisch die weichlichen weiblichen Geister wieder anfallen!

Du allein machst die Luft um dich herum stark und klar! Fand ich je auf Erden so gute Luft als bei dir in deiner Höhle?

Viele Länder sah ich doch, meine Nase lernte vielerlei Luft prüfen und abschätzen: aber bei dir schmecken meine Nüstern ihre grösste Lust!

Es sei denn, – es sei denn –, oh vergieb eine alte Erinnerung! Vergieb mir ein altes Nachtisch-Lied, das ich einst unter Töchtern der Wüste dichtete: –

– bei denen nämlich gab es gleich gute helle morgenländische Luft; dort war ich am fernsten vom wolkigen feuchten schwermüthigen Alt-Europa!

Damals liebte ich solcherlei Morgenland-Mädchen und andres blaues Himmelreich, über dem keine Wolken und keine Gedanken hängen.

Ihr glaubt es nicht, wie artig sie dasassen, wenn sie nicht tanzten, tief, aber ohne Gedanken, wie kleine Geheimnisse, wie bebänderte Räthsel, wie Nachtisch-Nüsse –

bunt und fremd fürwahr! aber ohne Wolken: Räthsel, die sich rathen lassen: solchen Mädchen zu Liebe erdachte ich damals einen Nachtisch-Psalm.«

Also sprach der Wanderer und Schatten; und ehe Jemand ihm antwortete, hatte er schon die Harfe des alten Zauberers ergriffen, die Beine gekreuzt und blickte gelassen und weise um sich: – mit den Nüstern aber zog er langsam und fragend die Luft ein, wie Einer, der in neuen Ländern neue fremde Luft kostet. Darauf hob er mit einer Art Gebrüll zu singen an.

Die Wüste wächst: weh Dem, der Wüsten birgt!

– Ha! Feierlich!

In der That feierlich!

Ein würdiger Anfang!

Afrikanisch feierlich!

Eines Löwen würdig,

Oder eines moralischen Brüllaffen –

– aber Nichts für euch,

Ihr allerliebsten Freundinnen,

Zu deren Füssen mir

Zum ersten Male,

Einem Europäer, unter Palmen

Zu sitzen vergönnt ist. Sela.

Wunderbar wahrlich!

Da sitze ich nun,

Der Wüste nahe und bereits

So fern wieder der Wüste,

Auch in Nichts noch verwüstet:

Nämlich hinabgeschluckt

Von dieser kleinsten Oasis –:

– sie sperrte gerade gähnend

Ihr liebliches Maul auf.

Das wohlriechendste aller Mäulchen:

Da fiel ich hinein,

Hinab, hindurch – unter euch,

Ihr allerliebsten Freundinnen! Sela.

Heil, Heil jenem Wallfische,

Wenn er also es seinem Gaste

Wohl sein liess! – ihr versteht

Meine gelehrte Anspielung?

Heil seinem Bauche,

Wenn er also

Ein so lieblicher Oasis-Bauch war

Gleich diesem: was ich aber in Zweifel ziehe,

– dafür komme ich aus Europa,

Das zweifelsüchtiger ist als alle

Ältlichen Eheweibchen.

Möge Gott es bessern!

Amen!

Da sitze ich nun,

In dieser kleinsten Oasis,

Einer Dattel gleich,

Braun, durchsüsst, goldschwürig, lüstern

Nach einem runden Mädchenmunde,

Mehr noch aber nach mädchenhaften

Eiskalten schneeweissen schneidigen

Beisszähnen: nach denen nämlich

Lechzt das Herz allen heissen Datteln. Sela.

Den genannten Südfrüchten

Ähnlich, allzuähnlich

Liege ich hier, von kleinen

Flügelkäfern

Umtänzelt und umspielt,

Insgleichen von noch kleineren

Thörichteren boshafteren

Wünschen und Einfällen,

Umlagert von euch,

Ihr stummen, ihr ahnungsvollen

Mädchen-Katzen,

Dudu und Suleika,

umsphinxt, dass ich in Ein Wort

Viel Gefühle stopfe:

(Vergebe mir Gott

Diese Sprach-Sünde!)

– sitze hier, die beste Luft schnüffelnd,

Paradieses-Luft wahrlich,

Lichte leichte Luft, goldgestreifte,

So gute Luft nur je

Vom Monde herabfiel –

Sei es aus Zufall,

Oder geschah es aus Übermuthe?

Wie die alten Dichter erzählen.

Ich Zweifler aber ziehe es

In Zweifel, dafür aber komme ich

Aus Europa,

Das zweifelsüchtiger ist als alle

Ältlichen Eheweibchen.

Möge Gott es bessern!

Amen!

Diese schönste Luft trinkend,

Mit Nüstern geschwellt gleich Bechern,

Ohne Zukunft, ohne Erinnerungen,

So sitze ich hier, ihr

Allerliebsten Freundinnen,

Und sehe der Palme zu,

Wie sie, einer Tänzerin gleich,

Sich biegt und schmiegt und in der Hüfte wiegt,

– man thut es mit, sieht man lange zu!

Einer Tänzerin gleich, die, wie mir scheinen will,

Zu lange schon, gefährlich lange

Immer, immer nur auf Einem Beine stand?

– da vergass sie darob, wie mir scheinen will,

Das andre Bein?

Vergebens wenigstens

Suchte ich das vermisste

Zwillings-Kleinod

– nämlich das andre Bein –

In der heiligen Nähe

Ihres allerliebsten, allerzierlichsten

Fächer- und Flatter- und Flitterröckchens.

ja, wenn ihr mir, ihr schönen Freundinnen,

Ganz glauben wollt:

Sie hat es verloren!

Es ist dahin!

Auf ewig dahin!

Das andre Bein!

Oh schade um dieses liebliche andre Bein!

Wo – mag es wohl weilen und verlassen trauern?

Das einsame Bein?

In Furcht vielleicht vor einem

Grimmen gelben blondgelockten

Löwen-Unthiere? Oder gar schon

Abgenagt, abgeknabbert –

Erbärmlich, wehe! wehe! abgeknabbert! Sela.

Oh weint mir nicht,

Weiche Herzen!

Weint mir nicht, ihr

Dattel-Herzen! Milch-Busen!

Ihr Süssholz-Herz-

Beutelchen!

Weine nicht mehr,

Bleiche Dudu!

Sei ein Mann, Suleika! Muth! Muth!

– Oder sollte vielleicht

Etwas Stärkendes, Herz-Stärkendes,

Hier am Platze sein?

Ein gesalbter Spruch?

Ein feierlicher Zuspruch? –

Ha! Herauf, Würde!

Tugend-Würde! Europäer-Würde!

Blase, blase wieder,

Blasebalg der Tugend!

Ha!

Noch Ein Mal brüllen,

Moralisch brüllen!

Als moralischer Löwe

Vor den Töchtern der Wüste brüllen!

– Denn Tugend-Geheul,

Ihr allerliebsten Mädchen,

Ist mehr als Alles

Europäer-Inbrunst, Europäer-Heisshunger!

Und da stehe ich schon,

Als Europäer,

Ich kann nicht anders, Gott helfe mir!

Amen!

Die Wüste wächst: weh Dem, der Wüsten birgt!

Die Erweckung

Nach dem Liede des Wanderers und Schattens wurde die Höhle mit Einem Male voll Lärmens und Lachens; und da die versammelten Gäste alle zugleich redeten, und auch der Esel, bei einer solchen Ermuthigung, nicht mehr still blieb, überkam Zarathustra ein kleiner Widerwille und Spott gegen seinen Besuch: ob er sich gleich ihrer Fröhlichkeit erfreute. Denn sie dünkte ihm ein Zeichen der Genesung. So schlüpfte er hinaus in's Freie und sprach zu seinen Thieren.

»Wo ist nun ihre Noth hin? sprach er, und schon athmete er selber von seinem kleinen Überdrusse auf, – bei mir verlernten sie, wie mich dünkt, das Nothschrein!

– wenn auch, leider, noch nicht das Schrein.«Und Zarathustra hielt sich die Ohren zu, denn eben mischte sich das I-A des Esels wunderlich mit dem Jubel-Lärm dieser höheren Menschen.

»Sie sind lustig, begann er wieder, und wer weiss? vielleicht auf ihres Wirthes Unkosten; und lernten sie von mir lachen, so ist es doch nicht mein Lachen, das sie lernten.

Aber was liegt daran! Es sind alte Leute: sie genesen auf ihre Art, sie lachen auf ihre Art; meine Ohren haben schon Schlimmeres erduldet und wurden nicht unwirsch.

Dieser Tag ist ein Sieg: er weicht schon, er flieht, der Geist der Schwere, mein alter Erzfeind! Wie gut will dieser Tag enden, der so schlimm und schwer begann!

Und enden will er. Schon kommt der Abend: über das Meer her reitet er, der gute Reiter! Wie er sich wiegt, der Selige, Heimkehrende, in seinen purpurnen Sätteln!

Der Himmel blickt klar dazu, die Welt liegt tief: oh all ihr Wunderlichen, die ihr zu mir kamt, es lohnt sich schon, bei mir zu leben!«

Also sprach Zarathustra. Und wieder kam da das Geschrei und Gelächter der höheren Menschen aus der Höhle: da begann er von Neuem.

»Sie beissen an, mein Köder wirkt, es weicht auch ihnen ihr Feind, der Geist der Schwere. Schon lernen sie über sich selber lachen: höre ich recht?

Meine Manns-Kost wirkt, mein Saft- und Kraft-Spruch: und wahrlich, ich nährte sie nicht mit Bläh-Gemüsen! Sondern mit Krieger-Kost, mit Eroberer-Kost: neue Begierden weckte ich.

Neue Hoffnungen sind in ihren Armen und Beinen, ihr Herz streckt sich aus. Sie finden neue Worte, bald wird ihr Geist Muthwillen athmen.

Solche Kost mag freilich nicht für Kinder sein, noch auch für sehnsüchtige alte und junge Weibchen. Denen überredet man anders die Eingeweide; deren Arzt und Lehrer bin ich nicht.

Der Ekel weicht diesen höheren Menschen: wohlan! das ist mein Sieg. In meinem Reiche werden sie sicher, alle dumme Scham läuft davon, sie schütten sich aus.

Sie schütten ihr Herz aus, gute Stunden kehren ihnen zurück, sie feiern und käuen wieder, – sie werden dankbar.

Das nehme ich als das beste Zeichen: sie werden dankbar. Nicht lange noch, und sie denken sich Feste aus und stellen Denksteine ihren alten Freuden auf.

Es sind Genesende!«Also sprach Zarathustra fröhlich zu seinem Herzen und schaute hinaus; seine Thiere aber drängten sich an ihn und ehrten sein Glück und sein Stillschweigen.

Plötzlich aber erschrak das Ohr Zarathustra's: die Höhle nämlich, welche bisher voller Lärmens und Gelächters war, wurde mit Einem Male todtenstill; – seine Nase aber roch einen wohlriechenden Qualm und Weihrauch, wie von brennenden Pinien-Zapfen.

»Was geschieht? Was treiben sie?«fragte er sich und schlich zum Eingange heran, dass er seinen Gästen, unvermerkt, zusehn könne. Aber, Wunder über Wunder! was musste er da mit seinen eignen Augen sehn!

»Sie sind Alle wieder fromm geworden, sie beten, sie sind toll!«– sprach er und verwundene sich über die Maassen. Und, fürwahr!, alle diese höheren Menschen, die zwei Könige, der Papst ausser Dienst, der schlimme Zauberer, der freiwillige Bettler, der Wanderer und Schatten, der alte Wahrsager, der Gewissenhafte des Geistes und der hässlichste Mensch: sie lagen Alle gleich Kindern und gläubigen alten Weibchen auf den Knien und beteten den Esel an. Und eben begann der hässlichste Mensch zu gurgeln und zu schnauben, wie als ob etwas Unaussprechliches aus ihm heraus wolle; als er es aber wirklich bis zu Worten gebracht hatte, siehe, da war es eine fromme seltsame Litanei zur Lobpreisung des angebeteten und angeräucherten Esels. Diese Litanei aber klang also:

Amen! Und Lob und Ehre und Weisheit und Dank und Preis und Stärke sei unserm Gott, von Ewigkeit zu Ewigkeit!

– Der Esel aber schrie dazu I-A.

Er trägt unsre Last, er nahm Knechtsgestalt an, er ist geduldsam von Herzen und redet niemals Nein; und wer seinen Gott liebt, der züchtigt ihn.

– Der Esel aber schrie dazu I-A.

Er redet nicht: es sei denn, dass er zur Welt, die er Schuf, immer Ja sagt: also preist er seine Welt. Seine Schlauheit ist es, die nicht redet: so bekommt er selten Unrecht.

– Der Esel aber schrie dazu I-A.

Unscheinbar geht er durch die Welt. Grau ist die Leib-Farbe, in welche er seine Tugend hüllt. Hat er Geist, so verbirgt er ihn; Jedermann aber glaubt an seine langen Ohren.

– Der Esel aber schrie dazu I-A.

Welche verborgene Weisheit ist das, dass er lange Ohren trägt und allein ja und nimmer Nein sagt! Hat er nicht die Welt erschaffen nach seinem Bilde, nämlich so dumm als möglich?

– Der Esel aber schrie dazu I-A.

Du gehst gerade und krumme Wege; es kümmert dich wenig, was uns Menschen gerade oder krumm dünkt. Jenseits von Gut und Böse ist dein Reich. Es ist deine Unschuld, nicht zu wissen, was Unschuld ist.

– Der Esel aber schrie dazu I-A.

Siehe doch, wie du Niemanden von dir stössest, die Bettler nicht, noch die Könige. Die Kindlein lässest du zu dir kommen, und wenn dich die bösen Buben locken, so sprichst du einfältiglich I-A.

– Der Esel aber schrie dazu I-A.

Du liebst Eselinnen und frische Feigen, du bist kein Kostverächter. Eine Distel kitzelt dir das Herz, wenn du gerade Hunger hast. Darin liegt eines Gottes Weisheit.

– Der Esel aber schrie dazu I-A.

Das Eselsfest

An dieser Stelle der Litanei aber konnte Zarathustra sich nicht länger bemeistern, schrie selber I-A, lauter noch als der Esel, und sprang mitten unter seine tollgewordenen Gäste.

»Aber was treibt ihr da, ihr Menschenkinder? rief er, indem er die Betenden vom Boden empor riss. Wehe, wenn euch Jemand Anderes zusähe als Zarathustra:

Jeder würde urtheilen, ihr wäret mit eurem neuen Glauben die ärgsten Gotteslästerer oder die thörichtsten aller alten Weiblein!

Und du selber, du alter Papst, wie stimmt Das mit dir selber zusammen, dass du solchergestalt einen Esel hier als Gott anbetest?«–

»Oh Zarathustra, antwortete der Papst, vergieb mir, aber in Dingen Gottes bin ich aufgeklärter noch als du. Und so ist's billig.

Lieber Gott also anbeten, in dieser Gestalt, als in gar keiner Gestalt! Denke über diesen Spruch nach, mein hoher Freund: du erräthst geschwind, in solchem Spruch steckt Weisheit.

Der, welcher sprach»Gott ist ein Geist«– der machte bisher auf Erden den grössten Schritt und Sprung zum Unglauben: solch Wort ist auf Erden nicht leicht wieder gut zu machen!

Mein altes Herz springt und hüpft darob, dass es auf Erden noch Etwas anzubeten giebt. Vergieb das, oh Zarathustra, einem alten frommen Papst-Herzen! –«

–»Und du, sagte Zarathustra zu dem Wanderer und Schatten, du nennst und wähnst dich einen freien Geist? Und treibst hier solchen Götzen- und Pfaffendienst?

Schlimmer, wahrlich, treibst du's hier noch als bei deinen schlimmen braunen Mädchen, du schlimmer neuer Gläubiger!«

»Schlimm genug, antwortete der Wanderer und Schatten, du hast Recht: aber was kann ich dafür! Der alte Gott lebt wieder, Oh Zarathustra, du magst reden, was du willst.

Der hässlichste Mensch ist an Allem schuld: der hat ihn wieder auferweckt. Und wenn er sagt, dass er ihn einst getödtet habe: Tod ist bei Göttern immer nur ein Vorurtheil.«

– Und du, sprach Zarathustra, du schlimmer alter Zauberer, was thatest du! Wer soll, in dieser freien Zeit, fürderhin an dich glauben, wenn du an solche Götter-Eseleien glaubst?

Es war eine Dummheit, was du thatest; wie konntest du, du Kluger, eine solche Dummheit thun!

»Oh Zarathustra, antwortete der kluge Zauberer, du hast Recht, es war eine Dummheit, – es ist mir auch schwer genug geworden.«

–»Und du gar, sagte Zarathustra, zu dem Gewissenhaften des Geistes, erwäge doch und lege den Finger an deine Nase! Geht hier denn Nichts wider dein Gewissen? Ist dein Geist nicht zu reinlich für diess Beten und den Dunst dieser Betbrüder?«

»Es ist Etwas daran, antwortete der Gewissenhafte und legte den Finger an die Nase, es ist Etwas an diesem Schauspiele, das meinem Gewissen sogar wohlthut.

Vielleicht, dass ich an Gott nicht glauben darf: gewiss aber ist, dass Gott mir in dieser Gestalt noch am glaubwürdigsten dünkt.

Gott soll ewig sein, nach dem Zeugnisse der Frömmsten: wer so viel Zeit hat, lässt sich Zeit. So langsam und so dumm als möglich: damit kann ein Solcher es doch sehr weit bringen.

Und wer des Geistes zu viel hat, der möchte sich wohl in die Dumm- und Narrheit selber vernarren. Denke über dich selber nach, oh Zarathustra!

Du selber – wahrlich! auch du könntest wohl aus Überfluss und Weisheit zu einem Esel werden.

Geht nicht ein vollkommner Weiser gern auf den krümmsten Wegen? Der Augenschein lehrt es, oh Zarathustra, – dein Augenschein!«

–»Und du selber zuletzt, sprach Zarathustra und wandte sich gegen den hässlichsten Menschen, der immer noch auf dem Boden lag, den Arm zu dem Esel emporhebend (er gab ihm nämlich Wein zu trinken). Sprich, du Unaussprechlicher, was hast du da gemacht!

Du dünkst mich verwandelt, dein Auge glüht, der Mantel des Erhabenen liegt um deine Hässlichkeit: was thatest du?

Ist es denn wahr, was jene sagen, dass du ihn wieder auferwecktest? Und wozu? War er nicht mit Grund abgetödtet und abgethan?

Du selber dünkst mich aufgeweckt: was thatest du? was kehrtest du um? Was bekehrtest du dich? Sprich, du Unaussprechlicher?«

»Oh Zarathustra, antwortete der hässlichste Mensch, du bist ein Schelm!

Ob Der noch lebt oder wieder lebt oder gründlich todt ist, – wer von uns Beiden weiss Das am Besten? Ich frage dich.

Eins aber weiss ich, – von dir selber lernte ich's einst, oh Zarathustra: wer am gründlichsten tödten will, der lacht.

»Nicht durch Zorn, sondern durch Lachen tödtet man«– so sprachst du einst. Oh Zarathustra, du Verborgener, du Vernichter ohne Zorn, du gefährlicher Heiliger, – du bist ein Schelm!«

Da aber geschah es, dass Zarathustra, verwundert über lauter solche Schelmen-Antworten, zur Thür seiner Höhle zurück sprang und, gegen alle seine Gäste gewendet, mit starker Stimme schrie:

»Oh ihr Schalks-Narren allesammt, ihr Possenreisser! Was verstellt und versteckt ihr euch vor mir!

Wie doch einem jeden von euch das Herz zappelte vor Lust und Bosheit, darob, dass ihr endlich einmal wieder wurdet wie die Kindlein, nämlich fromm, –

– dass ihr endlich wieder thatet wie Kinder thun, nämlich betetet, hände-faltetet und»lieber Gott«sagtet!

Aber nun lasst mir diese Kinderstube, meine eigne Höhle, wo heute alle Kinderei zu Hause ist. Kühlt hier draussen euren heissen Kinder-Übermuth und Herzenslärm ab!

Freilich: so ihr nicht werdet wie die Kindlein, so kommt ihr nicht in das Himmelreich. (Und Zarathustra zeigte mit den Händen nach Oben.)

Aber wir wollen auch gar nicht in's Himmelreich: Männer sind wir worden, – so wollen wir das Erdenreich. «

Und noch einmal hob Zarathustra an zu reden.»Oh meine neuen Freunde, sprach er, – ihr Wunderlichen, ihr höheren Menschen, wie gut gefallt ihr mir nun, –

– seit ihr wieder fröhlich wurdet! Ihr seid wahrlich Alle aufgeblüht: mich dünkt, solchen Blumen, wie ihr seid, thun neue Feste noth,

– ein kleiner tapferer Unsinn, irgend ein Gottesdienst und Eselsfest, irgend ein alter fröhlicher Zarathustra-Narr, ein Brausewind, der euch die Seelen hell bläst.

Vergesst die Nacht und diess Eselsfest nicht, ihr höheren Menschen! Das erfandet ihr bei mir, Das nehme ich als gutes Wahrzeichen, – Solcherlei erfinden nur Genesende!

Und feiert ihr es abermals, dieses Eselsfest, thut's euch zu Liebe, thut's auch mir zu Liebe! Und zu meinem Gedächtniss!«

Also sprach Zarathustra.

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