Notturno.
Mein Ross hä lt an, reckt den schö nen Hals und wiehert in den Abend. Ich grü sse dich! Ich grü sse dich, meine Cederndunkle Zuflucht! Du Friedebringende, du Weltferne, Unberü hrte, mit dem schwarzen, kostbaren Gü rtel! In einem tiefen, tagebreiten Cederwald liegt ein See und eine granitene Burg verschlossen. Ein Schloss fü r die Ewigkeit gebaut, kolossal und quaderfest, mit ungeheuren normä nnischen Ecktü rmen, und mit einer einzigen Thü re. Diese ö ffnet sich auf eine Treppe aus breiten Quaderstufen, und die Treppe fü hrt in den schwarzen, bodenlosen See. Der eisgraue Wä chter hö rt und erkennt mein Ross. Er tritt bedä chtig durch die eherne Thü re und ü ber die grü nlichen Stufen. Er lö st das Kö nigsboot von der schweren Kette und rudert lautlos mit einem Ruder ü ber das spiegelschwarze Wasser. Er nimmt mich auf und steuert zurü ck. Wir legen das Boot wieder an die Kette mit den eisernen Viereckgliedern. Wir setzen uns auf die Schwelle der ehernen Thü r. Das Wipfelflü stern wä chst im Abendwind, die Dä mmerung schleicht zwischen den Stä mmen am Ufer hin. Der Wä chter hat das Greisenhaupt auf beide harte Hä nde gestü tzt und dringt mit langen, ruhigen Blicken in den Abend. Vor uns liegen die vermoosenden Stufen und der unbewegte See, auf beiden Seiten steht die tausendjä hrige, hohe Wand des heiligen Waldes und schliesst gegenü ber am fernen Seerande den dunklen Ring. Stunden fliegen auf unhö rbaren Fittigen ü ber uns hinweg. Jenseits des Wassers zittert ü ber den Wipfeln ein kleines Licht herauf, hebt sich und wä chst und beginnt hell zu leuchten, und lö st sich schwebend als voller Mond vom Walde los. Von unserem Sitze anhebend verbreitet sein Licht sich langsam ü ber den See, bis die runde Wasserflä che ohne Schatten in reinem, tiefem Lichte schwimmt, unbewegt, wie ein unendlicher Spiegel. Mit unvermindertem Glanze blickt der silberne Mond aus der unergrü ndlichen Tiefe. Der Wä chter ruht mit unverwandtem Blick auf dem langsamen Wandel des Spiegelmonds. Sein Gesicht ist traurig, und ich fü hle wohl, dass er mit mir reden mö chte. Ich frage ihn, und ich dä mpfe schnell meine Stimme zum Flü sterton, erschrocken ü ber ihr Hallen in dem einsamen Waldrunde. Ich frage ihn: „Du bist traurig. Woran denkst du? “ Er wendet nicht den Blick, aber er senkt ein wenig das weisse Haupt und seufzt. Und sagt: „Vor tausend Jahren sass ich hier auf dieser Thü rschwelle, und blickte ü ber den nä chtigen See. Dort aber, in der Mitte des Wassers, wo jetzt der Mond sich abmalt, schwamm ein Totenkahn und brannte steilauf in lohroten Flammen. Der ganze See war rot vom Widerschein des brennenden Nachens. Und der darin lag, war mein letzter Kö nig. “ Der Greis bedeckt sein Haupt mit dem Gewand. Nach einer Weile enthü llt er sich und hat noch Tropfen im Bart. Er erzä hlt: „Wenige Zeit danach stiess ich den letzten Leichenkahn von dieser Treppe brennend hinaus. Lag eine ü bermenschlich schö ne, schneeblasse Dame in purpurnen Prachtkleidern darin. Meine letzte Kö nigin. “ Der Cederwald rauscht tieftö nig auf. Aus dem bodenlosen Wasser blickt traurig der runde Mond. „Diese hab’ ich geliebt“. — —
„Seit allen vielen Jahren bewahrte ich das Schloss, und sass stille Abende lang auf meiner Treppe. Aber du weisst dies ja wohl, denn du hast mich ja mit Namen gerufen und bist der Einzige, der diese Zuflucht seit tausend Jahren betreten hat. Du hast ja auch die Schlü ssel Ihrer Gemä cher! Willst du eintreten? “ Wir schliessen hinter uns das Thor. Der Wä chter nimmt die Fackel vom Ring und leuchtet mir die Treppen hinan. Ihr heimatliche, tausendjä hrige Treppen! Ihr bronzene Zierleuchter! Ihr Fliesengä nge, in denen das Echo kö niglicher Schritte erwacht, wenn ich darü ber trete! An der letzten Thü re bleibt der Wä chter stehen, und bü ckt sich tief, und lä sst mich allein. Ich trete in das alte Zimmer, ich spü re den Gruss der vergangenen Zeiten, denselben, den ich schon als ein scheuer Knabe vor vielen Jahren hier verspü rte. Gemach unserer letzten Kö nigin! Scharlachene Teppiche, lö wenkö pfige hohe Sessel, goldnes und edelsteinenes Frauenspielwerk. Ein heidnischer Gott, eine Kriegsbeute, steht mitten im Gemach, hat ein goldenes Stirnband umgelegt und die kleine Harfe der Kö nigin im Arme hä ngen. Das ist die Harfe, welche Nä chte lang mit langen Klagtö nen den See und die stillen Schwä ne bezauberte! Das ist die Harfe, die den Gesang des blonden Mitternachtsbuhlen begleitete! Der rauschte in verwö lkten Sturmnä chten nass und blank aus dem zitternden See und trat durch die schlafenden Knechte, und kosete im dunklen scharlachenen Zimmer mit der Liebeskö nigin. Der stiess das lange Schlangenschwert durch die frö hliche Brust des letzten Kö nigs. Der kü sste in einer brausenden Gewitternacht den Tod auf den roten, liebekundigen Mund der Kö nigin. Die ebenholzene Harfe hä ngt im Arm des stillen Gottes. Ich betrachte lang ihre schlanke, fremde Form mit dem perlgezä hnten, smaragdä ugigen Drachenkopf, und die feinen Saiten, und atme die unermesslichen Schicksale und Leidenschaften einer vergangen unvergä nglichen, ü bermä chtigen Zeit. Das Fenster ist unverhä ngt; ich lege mich in das Gesimse. Treppe und See liegt unter mir. Der Wä chter sitzt traurig auf seiner Stufe und sä ttigt sein Auge an der Seetiefe und bewahrt in seiner Eisenbrust das brandende Meer seiner unsterblichen Liebe. Wä chter, See und Wald seit tausend Jahren ohne Tod und Zeit, zauberversunken, im Ring wachhaltender Jahrhunderte und darü ber, ohne Tod und Zeit, der volle ruhige Mond. Jeder Atemzug ein Trunk aus dem unerschö pflichen Becher der Ewigkeit, jeder Herzschlag eine stille ungezä hlte Welle im Meer des Schweigens! Nahe erscheint auf dem Wasser, wie ein leuchtender Streif, eine weisse Helle. Bleibt stehen, schlä gt mit Flü geln und ist ein grosser Schwan. Der Schwan rudert langsam fort. Fort und weit in den See hinein. Dort hä lt er an, ist kaum noch sichtbar, hebt sich wund und stolz, und sinkt in Grund. Ein sü sser, wunder Ton kreist ü ber Schloss und See, und ich weiss nicht, ist es ein Schwanenlied oder ein erwachter Ton der schwarzen Liebesharfe. Der Wä chter aber ist aufgestanden und blickt mit erhobenem Haupt entrü ckt und selig dem weissen Wunder nach, breitet beide Arme aus und steht noch lang, den sü ssen Ton im Ohr. Auch ich; und mich kü hlt eine selig wohllaute Stille bis ins Herz. Der Wä chter fragt mit einem Blick herauf. Ich nicke zu, verschliesse das Gemach der Kö nigin und steige die breite Treppe nieder. Das Boot ist schon gelö st. Ich steige ein, und der Greis taucht das lautlose Ruder tief in die schwarze Flut.
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