Kapitel 11. Zwölftes Kapitel
Kapitel 11 1. Antworten Sie auf die Fragen! · Warum schauen sich Luise und Lotte ä ngstlich in die Augen? · Wie feiern Familien Palfy-Kö rner den Geburtstag der Mä dchen? · Was versprechen die Geburtstags kinder ihren Eltern? · Wie besprechen die Erwachsenen ihr zukü nftiges Familienleben? · Warum sind die Mä dchen glü cklich?
2. Nennen Sie die Rektion!
3. Nennen Sie die 3 Grundformen!
4. Ü bersetzen Sie! Время лечит раны и болезни. Они выводят собаку гулять. У девочек день рождения 14 октября. Лотта тяжело вздыхает. Он пожимает плечами. Она смотрит через замочную скважину.
5. Sprechen Sie zum Satz: „Die Zwillinge haben Geburtstag“. Zwö lftes Kapitel Herr Benno Grawunder, ein alter erfahrener Beamter im Standesamt Wiens, nimmt eine Trauung vor. Diese Trauung bringt ihn ein biß chen aus der Fassung. [248] Die Braut ist die ehemalige Frau des Brä utigams. Die beiden zum Verwechseln ä hnlichen zehnjä hrigen Mä dchen sind die Kinder des Brautpaars. Der eine Trauzeuge, ein Kunstmaler namens Anton Gabele, hat keinen Schlips um[249]. Dafü r hat der andere Zeuge, Doktor Strobl, einen Hund! Und der Hund hat im Vorzimmer, wo er eigentlich bleiben sollte, einen solchen Lä rm gemacht, daß man ihn hereinholen muß te[250]. Und so nahm auch er an der standesamtlichen Trauung teil. Ein Hund als Trauzeuge! Nein, so was! [251] Lottchen und Luise sitzen auf ihren Stü hlen und sind glü cklich wie die Schneekö nige. Und sie sind nicht nur glü cklich, sondern auch stolz! Denn sie selber sind ja an dem herrlichen, unfaß baren Glü ck schuld! [252] Es war gar nicht leicht, dieses Glü ck zu erkä mpfen. Abenteuer, Trä nen, Angst, Lü gen, Verzweiflung, Krankheit — alles war gewesen! Nach der Zeremonie flü stert Herr Gabele mit Herrn Palfy. Dabei zwinkern die beiden einander geheimnisvoll zu. [253] Aber warum sie flü stern und zwinkern, weiß auß er ihnen niemand. Palfy wendet sich an seine Frau und sagt: „Ich habe eine gute Idee! Weiß t du was? Wir fahren zunä chst in die Schule und melden Lotte an! “ * * * Herr Kilian, der Direktor der Mä dchenschule, ist sehr erstaunt, als Kapellmeister Palfy und seine Frau eine zweite Tochter anmelden, die der ersten aufs Haar gleicht[254]. Aber er hat als alter Schulmann manches erlebt, was nicht weniger merkwü rdig war. Er hat die neue Schü lerin ordnungsgemä ß in ein groß es Buch eingetragen, dann lehnt er sich gemü tlich im Schreibtischsessel zurü ck und sagt: „Als ich ein junger Lehrer war, passierte mir einmal eine interessante Geschichte. Ich muß Ihnen und den beiden Mä dchen das erzä hlen! Da kam im Frü hling ein neuer Bub in meine Klasse. Ein Bub aus einer armen Familie, aber blitzsauber und, wie ich bald merkte, sehr fleiß ig. Er hat gut gelernt. Im Rechnen war er sogar in kurzer Zeit der Beste von allen. Das heiß t: nicht immer! Erst dachte ich bei mir[255]: , Wer weiß, woran’s liegen mag[256]! c Dann dachte ich: , Das ist doch seltsam! Manchmal rechneter wie am Schnü rchen[257] und macht keinen einzigen Fehler, andere Male geht es viel langsamer bei ihm/“
Herr Kilian macht eine Pause und zwinkert Luise und Lotte wohlwollend zu. [258] „Endlich verfiel ich auf eine seltsame Methode. Ich merkte mir in einem Notizbuch an, wann der Bub gut und wann er schlecht gerechnet hatte. Und da stellte sich ja nun etwas ganz Verrü cktes heraus. [259] Montags, mittwochs und freitags rechnete er gut. — Dienstags, donnerstags und sonnabends rechnete er schlecht. “ „Nein, so was! “ sagt Herr Palfy. Und die zwei kleinen Mä dchen rutschen neugierig auf den Stü hlen. „Sechs Wochen beobachtete ich das“, fä hrt der alte Herr fort. „Es ä nderte sich nie! Montags, mittwochs, freitags — gut! Dienstags, donnerstags, sonnabends — schlecht! Eines schö nen Abends ging ich in die Wohnung der Eltern und teilte ihnen meine rä tselhafte Beobachtung mit. Sie schauten einander halb verlegen, halb belustigt[260] an, und dann meinte der Mann: , Das was Sie, Herr Lehrer, bemerkt haben, ist richtig! “ Dann pfiff er auf zwei Fingern. Und schon kamen aus dem Nebenzimmer zwei Jungen. Zwei, gleich groß und auch sonst vollkommen ä hnlich! , Es sind Zwillinge“, meinte die Frau. , Der Sepp ist der gute Rechner, der Toni — ist der andere. ' Nachdem ich mich einigermaß en erholt hatte[261], fragte ich: „Ja, liebe Leute, warum schickt ihr denn nicht alle beide in die Schule? “ Und der Vater antwortete mir: , Wir sind arm, Herr Lehrer. Die zwei Buben haben zusammen nur einen guten Anzug! ““ Das Ehepaar Palfy lacht. Herr Kilian schmunzelt. Luise ruft: „Das ist eine Idee! Das machen wir auch! “ Herr Kilian droht mit dem Finger. * * * Als das Ehepaar mit den Zwillingen durch den Schulhof geht, ist gerade Frü hstü ckspause. Hunderte kleiner Mä dchen drä ngen sich heran. Man bestaunt Luise und Lotte. Endlich gelingt es Trude, sich bis zu den Zwillingen durchzuboxen[262]. Schwer atmend blickt sie von einer zur anderen. „Nanu! “ sagt sie. Dann wendet sie sich gekrä nkt an Luise: „Erst verbietest du mir, hier in der Schule drü ber zu reden, und nun kommt ihr so einfach hierher. “ „Ich hab’s dir verboten“, berichtigt Lotte. „Jetzt kannst du’s ruhig allen erzä hlen“, erklä rt Luise. „Von morgen an kommen wir nä mlich beide! “ Dann schiebt sich Herr Palfy wie ein Eisbrecher durch die Menge und fü hrt seine Familie durchs Schultor. Trude wird inzwischen das Opfer der allgemeinen Neugierde. Sie teilt der lauschenden Mä dchenmenge alles mit, was sie weiß.
Es lä utet. Die Pause ist zu Ende. Die Lehrerinnen betreten die Klassenzimmer. Die Klassenzimmer sind aber leer. Die Lehrerinnen treten an die Fenster und starren empö rt auf den Schulhof hinunter. Der Schulhof ist ü berfü llt. Die Lehrerinnen dringen ins Zimmer des Direktors, um im Chor sich zu beklagen. „Nehmen Sie Platz, meine Damen! “ sagt er. „Der Schuldiener hat mir soeben die neue Nummer der illustrierten Zeitschrift gebracht. Das Titelblatt ist fü r unsere Schule recht interessant. Darf ich bitten? [263]“ Er reicht ihnen die Zeitschrift. Und nun vergessen auch die Lehrerinnen, genau wie im Schulhof die kleinen Mä dchen, daß die Pause lä ngst vorü ber ist. * * * Frä ulein Irene Gerlach steht, elegant wie immer, in der Nä he der Oper und starrt betroffen auf das Titelblatt, wo zwei kleine bezopfte Mä dchen abgebildet sind. [264] Als sie hochblickt, starrt sie noch mehr. Denn an der Verkehrskreuzung hä lt ein Taxi, und in dem Taxi sitzen zwei kleine Mä dchen mit einem Herrn, den sie gut gekannt hat, und einer Frau, die sie nie kennenlernen mö chte[265]. Lotte zwickt die Schwester. „Du, dort drü ben! “ „Aua! Was denn? “ Lotte flü stert, daß es kaum zu hö ren ist[266]: „Frä ulein Gerlach! “ „Wo? “ „Rechts! Die mit dem Hut! Und mit der Zeitschrift in der Hand! “ Luise schielt zu der eleganten Dame hinü ber. Am liebsten mö chte sie ihr triumphierend die Zunge herausstrecken. [267] „Was habt ihr denn? “[268] Verflixt! Nun hat die Mutti wohl doch etwas gemerkt. Da beugt sich, zum Glü ck, aus dem Auto, das neben dem Taxi wartet, eine alte Dame herü ber. Sie hä lt der Mutti eine illustrierte Zeitschrift hin und sagt lä chelnd: „Darf ich Ihnen ein passendes Geschenk machen? “ Frau Palfy nimmt die Zeitschrift, sieht das Titelbild, dankt lä chelnd und gibt die Zeitschrift ihrem Mann. Die Autos setzen sich in Bewegung. [269] Die alte Dame nickt zum Abschied. Die Kinder klettern neben Vati auf den Wagensitz und bestaunen das Titelbild. „Dieser Herr Kramer! “ sagt Luise. „Uns so hineinzulegen! [270]“ „Wir dachten doch, daß wir alle Fotos zerrissen haben! “ sagt Lotte. „Er hat ja die Platten! “ erklä rt die Mutti. „Da kann er noch Hunderte von Bildern abziehen! “ „Wie gut, daß er euch angeschmiert hat[271]“, stellt der Vater fest. „Ohne ihn wä re Mutti nicht hinter euer Geheimnis gekommen. [272] Und ohne ihn wä re heute keine Hochzeit gewesen. “ Luise dreht sich plö tzlich um und schaut zur Oper zurü ck. Aber von Frä ulein Gerlach ist weit und breit nichts mehr zu sehen[273]. Lotte sagt zur Mutti: „Wir werden dem Herrn Kramer einen Brief schreiben, und uns bei ihm bedanken! “ * * * Das Ehepaar klettert in der Rotenturmstraß e mit den Zwillingen die Treppe hinauf. In der offenen Tü r wartet schon Resi in ihrem sonntä glichen Kleid und ü berreicht der jungen Frau einen groß mä chtigen Blumenstrauß. „Ich danke Ihnen schö n, Resi“, sagt die junge Frau. „Und ich freue mich, daß Sie bei uns bleiben wollen! “ „Bitte schö n! “ Resi reiß t die Tü r auf. „Moment! “ sagt der Herr Kapellmeister. „Ich muß erst einmal in die andere Wohnung! “ Alle auß er ihm erstarren. Schon am Hochzeitstag will er wieder ins Atelier in die Kä rtnerstraß e? (Nein, Resi erstarrt ganz und gar nicht! Sie lacht vielmehr lautlos in sich hinein. [274]) Herr Palfy geht zu Herrn Gabeles Wohnungstü r, holt einen Schlü ssel aus der Tasche und schließ t ganz ruhig auf! Lottchen rennt zu ihm. An der Tü r ist ein neues Schild angebracht, und auf dem neuen Schild steht der Name „Palfy! “ „O Vati! “ ruft sie ü berglü cklich.
Da steht auch schon Luise neben ihr, liest das Schild und beginnt mit der Schwester zu tanzen. „Nun ist’s genug! “ ruft schließ lich der Herr Kapellmeister. „Jetzt geht ihr mit Resi in die Kü che und helft ihr! “ Er schaut auf die Uhr. „Ich zeig’ der Mutti inzwischen meine Wohnung. Und in einer halben Stunde essen wir. Dann klingelt ihr! “ Er nimmt die junge Frau an der Hand. An der gegenü berliegenden Tü r macht Luise einen Knicks und sagt: „Auf gute Nachbarschaft[275], Herr Kapellmeister! “ * * * Die junge Frau legt Hut und Mantel ab. „Was fü r eine Ü berraschung! “ meint sie leise. „Eine angenehme Ü berraschung? “ fragt er. Sie nickt. „Es war schon lange Lottchens Wunsch. Dann wurde es auch mein Wunsch“, erzä hlt er zö gernd. „Gabele hat den Feldzugsplan bis ins kleinste[276] ausgearbeitet. “ „Deswegen also muß ten wir erst noch in die Schule? “ Sie treten ins Arbeitszimmer. Auf dem Flü gel steht die Fotografie einer jungen Frau aus einer vergangenen, unvergessenen Zeit. Er legt den Arm um sie. [277] „Im dritten Stock links werden wir zu viert[278] glü cklich sein, und im dritten Stockwerk rechts ich allein, aber mit euch Wand an Wand. “ „Soviel Glü ck! “ Sie schmiegt sich an ihn. „Jedenfalls mehr, als wir verdienen“, sagt er ernst. „Aber nicht mehr, als wir ertragen kö nnen. “ „Ich hä tte nie geglaubt[279], daß es das gibt! “ „Was? “ „Daß man verlorenes Glü ck nachholen kann. “ Er deutet auf ein Bild an der Wand. Aus dem Rahmen schaut, von Gabele gezeichnet[280], ein kleines, ernstes Kindergesicht auf die Eltern herab. „Jede Sekunde unseres neuen Glü cks“, sagt er, „verdanken wir unseren Kindern. “ * * * Luise steht mit einer Kü chenschü rze auf einem Stuhl und heftet das Titelblatt der illustrierten Zeitschrift an die Wand. „Schö n“, sagt Resi andä chtig. Lottchen, gleichfalls in einer Kü chenschü rze, arbeitet am Herd. Resi tupft sich eine Trä ne aus dem Augenwinkel und fragt dann, noch immer vor der Fotografie stehend: „Welche von euch beiden ist denn nun eigentlich welche? “ Die kleinen Mä dchen schauen einander betroffen an. Dann starren sie auf die Fotografie. Dann blicken sie erneut einander an. „Also... “ sagt Lottchen zö gernd. „Ich saß, als uns der Herr knipste, — glaub ich, — links“, meint Luise nachdenklich. Lotte schü ttelt den Kopf. „Nein, ich saß links. Oder? “ „Ja, wenn ihr’s selber nicht wiß t, welche welche ist! “ schreit Resi auß er sich und beginnt zu lachen. „Nein, wir wissen’s wirklich selber nicht! “ ruft Luise begeistert. Und nun lachen alle drei, daß ihr Gelä chter bis in die Nebenwohnung hinü berdringt. Dort drü ben fragt die Frau, fast erschrocken: „Wirst du denn bei solchem Lä rm arbeiten kö nnen? “ Er geht an den Flü gel und sagt, wä hrend er den Deckel ö ffnet: „Nur bei solchem Lä rm! “ Er spielt seiner Frau aus der Kinderoper das Duett vor, das bis in die Kü che der Nachbarwohnung dringt. Als das Lied verklungen ist, fragt Lottchen verlegen: „Wie ist das eigentlich, Resi? Wo nun Vati und Mutti wieder mit uns zusammen sind, kö nnen Luise und ich doch noch Geschwister bekommen[281]? “ „Ja, freilich! “ erklä rt Resi zuversichtlich. „Wollt ihr denn welche haben? “ „Natü rlich“, meint Luise energisch. „Buben oder Mä dels? “ erkundigt sich Resi angelegentlich. „Buben und Mä dels! “ sagt Lotte. Luise aber ruft aus Herzensgrund: „Und lauter Zwillinge! “[282]
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