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Kapitel 7. Achtes Kapitel




Kapitel 7

1. Antworten Sie auf die Fragen!

· Wie verä nderte sich Luise in den Augen der Lehrer, des Vaters, von Resi?

· Wie verä nderte sich Lotte in den Augen der Lehrer, der Mutter?

 

2. Ergä nzen Sie!

Mit groß em … aß Sie Fleischgerichte.

Es … nichts, wenn sie beim Abwaschen einen Telier zuschlä gt.

Das Kind verlä sst zu frü h das … der Kindheit.

Es hä ngt mit den Sommerferien ….

Sie mö chte die innere … des Kindes wieder hinstelen.

Sie hat ihr seelisches … verloren.

 

3. Ü bersetzen Sie!

· Abends rechnet Lotte am Kü chentisch ab.

· Dem Vater ist aufgefallen dass ….

· Sie hat die Endung absichtlich sehr betont.

 

4. Bestimmen Sie das Geschlecht!

· Schreibheft · Ohrfeige · Taxi · Monat · Wochenende · Unaufmerksamkeit · Zufall · Entdeckung · Fleisch ·

5. Schreiben Sie die 3 Grundformen und das Hilfsverb!

zerschlagen mitbringen erhalten bleiben kennen auffallen nachholen heiß en steigen

Achtes Kapitel

Lottchen kommt mit dem Klavierspiel nur langsam vorwä rts. Ihre Schuld ist es nicht. Aber der Vater hat in den letzten Wochen wenig Zeit fü rs Stundengeben. Vielleicht ist er so sehr mit der Kinderoper beschä ftigt? Das ist schon mö glich. Oder? Nun, kleine Mä dchen fü hlen, wenn etwas nicht in Ordnung ist. Wenn Vä ter von Kinderopern reü en und ü ber Frä ulein Gerlach schweigen... Kinder spü ren wie kleine Tiere, woher Gefahr droht.

 

 

* * *

Lotte tritt in der Rothenturmstraß e aus der Wohnung und klingelt an der gegenü berliegenden Tü r. Dort wohnt ein Maler, der Gabele heiß t. Er ist ein netter, freundlicher Herr, der gern einmal ein Bild von Lotte zeichnen mö chte, wenn sie Zeit hat.

Herr Gabele ö ffnet. „Oh, die Luise! “

„Heute habe ich Zeit“, sagt sie.

„Einen Augenblick“, ruft er und rennt in sein Arbeitszimmer. Dort nimmt er ein groß es Tuch vom Sofa und hä ngt damit ein Bild zu, das auf der Staffelei steht. Er malt gerade ein historisches Bild, das nicht fü r Kinder bestimmt ist.

Dann fü hrt er die Kleine herein, setzt sie in einen Sessel, nimmt einen Zeichblock in die Hand und beginnt zu skizzieren.

„Du spielst ja gar nicht mehr so oft Klavier! “ meint er dabei.

„Hat es Sie sehr gestö rt? “

„Gar nicht! Im Gegenteil! Ich vermisse dein Spiel! “ „Vati hat nicht mehr so viel Zeit“, sagt sie ernst. „Er komponiert eine Oper. Es wird eine Kinderoper sein. “ Herr Gabele freut sich darü ber. Dann wird er ä rgerlich. „Diese Fenster! “ schimpft er. „Man kann gar nichts sehen. Ich brauche ein Atelier! “

„Warum mieten Sie sich denn dann kein Atelier, Herr Gabele? “

„Weil’s keine freien Ateliers gibt. Ateliers sind selten! “ Nach einer Pause sagt das Kind: „Vati hat ein Atelier. Mit groß en Fenstern. Und Licht von oben. “

Herr Gabele brummt.

„In der Ringstraß e“, erklä rt Lotte. Und nach einer neuen Pause: „Zum Komponieren braucht man doch gar nicht so viel Licht wie zum Malen, nicht wahr? “

„Nein“, antwortet Herr Gabele.

Lotte denkt nach. Dann sagt sie: „Eigentlich kann doch Vati mit Ihnen tauschen! Dann hä tten Sie[79] grö ß ere Fenster und mehr Licht zum Malen. Und Vati hä tte[80] seine Wohnung, wo er komponiert, hier, neben der anderen Wohnung! Wä re das nicht sehr praktisch? [81]“

Herr Gabelle kö nnte manches gegen Lottes Plä ne einwenden[82]. Er kann aber mit dem Kind nicht ü ber alles sprechen, darum erklä rt er lä chelnd: „Ja, das wä re wirklich praktisch. Es ist aber noch eine Frage, ob dein Papa ebenso denkt. “

Lotte nickt. „Ich werde ihn fragen! Sofort! “

 

* * *

Herr Palfy sitzt in seinem Atelier. Er hat Besuch. [83] Frä ulein Irene Gerlach muß te „zufä llig“ ganz in der Nä he Einkä ufe machen, und da hat sie sich gedacht: , Ich will mal schnell zu Ludwig hinaufgehen... ‘

Der Ludwig hat die Partiturseiten, an denen er kritzelt, beiseite gelegt und plaudert mit der Irene. Erst ä rgert er sich ein biß chen, denn er kann es nicht leiden, wenn man ihn unangemeldet besucht und bei der Arbeit stö rt. Aber allmä hlich glä ttet sich seine Stirn. Es ist ja doch so angenehm, mit dieser schö nen Dame zusammenzusitzen.

Irene Gerlach weiß, was sie will. Sie will Herrn Palfy heiraten. Er ist berü hmt. Er gefä llt ihr. Sie gefä llt ihm. Groß e Schwierigkeiten stehen also nicht im Wege. Zwar weiß er noch nichts von seinem kü nftigen Glü ck. Aber sie wird ihm diesen Gedanken schonend beibringen. [84] Schließ lich wird er sich einbilden, daß er selbst auf die Idee mit der Heirat gekommen ist.

Ein Hindernis ist allerdings noch da: das Kind! Aber wenn Irene ihrem Ludwig erst ein, zwei Kinder geschenkt hat[85], dann wird alles gut werden. Irene Gerlach wird doch mit. jliesem ernsten scheuen Mä dchen fertigwerden!

Es klingelt.

Ludwig ö ffnet.

Und wer steht an der Tü r! Das ernste, scheue Mä dchen! Es hat einen Strauß in der Hand, knickst und sagt: „Guten Tag, Vati: Ich bringe dir frische Blumen! “ Dann spaziert es ins Atelier, knickst vor der Dame, nimmt eine Vase und verschwindet in der Kü che.

Irene lä chelt ironisch. „Wenn man dich und deine Tochter sieht, hat man den Eindruck, daß du unter ihrem Pantoffel stehst[86]. “

Der Herr Kapellmeister lacht verlegen. „Sie ist in der letzten Zeit so energisch, und auß erdem ist das, was sie tut, so richtig — da kann man nichts machen[87]! “

Frä ulein Gerlach zuckt mit den schö nen Schultern.

Lotte erscheint wieder. Erst stellt sie die frischen Blumen auf den Tisch. Dann bringt sie Geschirr herbei und sagt, wä hrend sie die Tassen auf den Tisch stellt, zu Vati: „Ich koche nur rasch einen Kaffee. Wir mü ssen doch deinem Gast etwas anbieten. “

Vati und sein Gast sitzen erstaunt da. , Und ich habe dieses Mä dchen fü r scheu gehalten[88], denkt Frä ulein Gerlach. , O wie dumm war ich! ‘

Nach kurzer Zeit taucht Lotte mit Kaffee, Zucker und Sahne auf, schenkt ein, schiebt dem Gast die Sahne und den Zucker hin, setzt sich dann neben ihren Vati und meint freundlich: „Ich trinke zur Gesellschaft einen Schluck mit. [89]“ Der Papa schenkt ihr Kaffee ein und fragt lä chelnd: „Wieviel Sahne, meine Dame? “

Das Kind kichert. „Halb und halb[90], mein Herr. “

„Bitte sehr, meine Dame! “

„Vielen Dank, mein Herr! “

Man trinkt. Man schweigt. Schließ lich sagt Lotte: „Ich war eben bei Herrn Gabele. “

„Hat er dich gezeichnet? “ fragt der Vater.

„Nur ein biß chen“, meint Lotte. Noch einen Schluck Kaffee, dann fü gt sie hinzu: „Er hat zu wenig Licht. Vor allem braucht er Licht von oben. So wie hier... “

„Dann soll er sich ein Atelier mit Oberlicht mieten“, bemerkt der Herr Kapellmeister sehr treffend und ahnt nicht, daß er dahin steuert, wohin Lotte ihn haben will[91].

„Das habe ich ihm auch schon gesagt“, erklä rt sie ruhig. „Aber sie sind alle vermietet, die Ateliers. “

So ein kleines Biest! [92] denkt Frä ulein Gerlach. Denn sie weiß nun schon, was das Kind beabsichtigt. Und wirklich...

„Zum Komponieren braucht man eigentlich kein Oberlicht, Vati. Nicht? “

„Nein, eigentlich nicht. “

Das Kind atmet tief, blickt lange auf seine Schü rze und fragt, als fiele ihm diese Frage eben erst ein[93]: „Willst du nicht mit Herrn Gabele tauschen, Vati? “ Gott sei Dank, jetzt ist es heraus! [94] Lotte blickt den Papa an. Ihre Augen bitten furchtsam.

Der Vater schaut halb ä rgerlich, halb belustigt[95] von dem kleinen Mä dchen zu der eleganten Dame, die wieder ironisch lä chelt.

„Dann wird der Herr Gabele ein Atelier haben“, sagt das Kind, und die Stimme zittert ein wtenig. „Mit soviel Licht, wie er braucht. Und du wohnst direkt neben uns. Neben Resi und mir. Dann bist du allein, genau wie hier. Und wenn du nicht allein sein willst, kommst du bloß ü ber den Flur und bist da. Du brauchst nicht einmal einen Hut aufzusetzen. Und mittags kö nnen wir zu Hause essen. Wenn das Essen fertig ist, klingeln wir dreimal an deiner Tü r. — Wir kochen immer, was du willst. — Und wenn du Klavier spielst, hö ren wir’s durch die Wand... “ Die Kinderstimme klingt immer zö gernder[96]...

Frä ulein Gerlach steht rasch auf. Sie muß schnellstens nach Hause. Wie die Zeit vergeht! Es waren ja aber auch sooo interessante Gesprä che!

Herr Kapellmeister begleitet seinen Gast hinaus. Er kü ß t die duftende Frauenhand. „Auf heute abend also! [97]“ sagt er.

„Vielleicht hast du keine Zeit? “

„Wieso, meine Liebe? “

Sie lä chelt. „Vielleicht ziehst du gerade um! “

Er lacht.

„Lache nicht zu frü h! Soviel ich deine Tochter kenne, hat sie bereits die Mö belpacker bestellt! “ Wü tend eilt die Dame die Treppe hinunter.

Als der Kapellmeister ins Atelier zurü ckkommt, hat Lotte schon begonnen, das Kaffeegeschirr abzuwaschen. Er schlä gt ein paar Takte auf dem Flü gel an. [98] Er geht mit groß en Schritten in dem Raum auf und ab. Er starrt auf die Partiturseb ten...

Lotte bemü ht sich, nicht mit den Tellern und Tassen zu klappern. Als sie alles abgetrocknet und in den Schrank zurü ckgestellt hat, setzt sie ihr Hü tchen auf und betritt leise das Atelier.

„Auf Wiedersehen, Vati... Kommst du zum Abendessen? “

„Nein, heute nicht. “

Das Kind nickt langsam und streckt ihm zum Abschied schü chtern die Hand hin.

„Hö r, Luise, — ich hab’s nicht gern, wenn sich andere Leute fü r mich den Kopf zerbrechen, auch meine Tochter nicht! Ich weiß selber, was ich brauche! “

„Natü rlich, Vati“, sagt sie ruhig und leise. Noch immer hä lt sie die Hand zum Abschied ausgestreckt. [99]

Er drü ckt sie schließ lich doch und sieht dabei, daß dem Kind Trä nen in den Augen stehen. Ein Vater muß streng sein. Also tut er, als sä he er nichts[100], sondern nickt kurz und setzt sich an den Flü gel.

Lotte geht schnell zur Tü r, ö ffnet sie leise — und ist verschwunden.

Der Herr Kapellmeister fä hrt sich ü bers Haar[101]. Kinderträ nen, das fehlte noch! Dabei soll man nun eine Kinderoper komponieren! Es ist schrecklich, wenn so einem kleinen Geschö pf Trä nen in den Augen stehen...

Seine Hä nde schlagen einige Tö ne an. Er neigt lauschend den Kopf. Er spielt die Tonfolge noch einmal. Es ist die Mollvariation[102] eines frö hlichen Kinderliedes aus seiner Oper. Er ä ndert den Rhythmus[103]. Er arbeitet.

О diese Kü nstler! Gleich wird er Notenpapier nehmen und Noten malen. Und schließ lich wird er sich hochbefriedigt zurü cklehnen und die Hä nde reiben, weil ihm ein so wunderbar trauriges Lied in c-moll[104] gelungen ist.

* * *

Wieder sind Wochen vergangen. Frä ulein Irene Gerlach hat die Szene im Atelier nicht vergessen. Sie hat den Vorschlag des Kindes, die Wohnung in der Ringstraß e gegen die Wohnung des Malers Gabele zu tauschen, richtig verstanden: Es war eine Kampfansage. [105] Eine richtige Frau — und Irene Gerlach ist (obwohl Lotte sie nicht leiden mag[106]) eine richtige Frau, — die lä ß t sich nicht lange bitten[107]. Sie kennt ihre Waffen und weiß, sie zu gebrauchen. [108] Alle ihre Pfeile hat sie auf die Zielscheibe, das Kü nstlerherz des Kapellmeisters, abgeschossen. Alle Pfeile haben ins Schwarze getroffen. [109] Jetzt sitzen sie im Herzen des geliebten Mannes fest. Er kann sich nicht mehr wehren.

„Ich will, daß du meine Frau wirst“, sagt er. Es klingt wie ein zorniger Befehl.

Sie streichelt sein Haar, lä chelt und meint spö ttisch: „Dann werde ich morgen mein bestes Kleid anziehen, Liebling, und bei deiner Tochter um deine Hand bitten. “ Wieder sitzt ein Pfeil in seinem HerzeriT Und diesmal ist der Pfeil vergiftet.

* * *

Herr Gabele zeichnet Lotte. Plö tzlich legt er den Bleistift hin und sagt: „Was hast du denn heute, Luise? [110] Du siehst ja aus wie sechs Tage Regenwetter! [111]“

Das Kind atmet schwer. „Ach, es ist nichts Besonderes! “ „Hä ngt’s mit der Schule zusammen? “

Sie schü ttelt den Kopf. „Das wä r’ nicht so schlimm. [112]“ Herr Gabele legt den Block weg. „Weiß t du was? Wir wollen fü r heute Schluß machen! “ Er steht auf. „Geh spazieren. Das bringt den Menschen auf andere Gedanken! [113]“ „Oder vielleicht spiele ich ein biß chen auf dem Klavier? “ „Noch besser! “ sagt er. „Das hö re ich durch die Wand. Da hab’ ich auch was davon. [114]“

Sie gibt ihm die Hand, knickst und geht.

Er schaut gedankenvoll hinter der kleinen Person her. Er weiß, wie schwer Kummer auf ein Kinderherz drü cken kann. Er war selber einmal ein Kind und hat es (im Gegensatz zu den meisten Erwachsenen! [115]) nicht vergessen.

Als aus der Nachbarwohnung Klavierspiel ertö nt, nickt er zufrieden und beginnt, die Melodie mitzupfeifen. Dann zieht er mit einem Ruck die Decke von der Staffelei, nimmt Palette und Pinsel zur Hand, betrachtet das Bild und beginnt zu arbeiten.

* * *

Herr Ludwig Palfy kommt in die Rothenturmstraß e. Er hä ngt den Mantel und den Hut an einen Garderobehaken. Luise spielt Klavier? Nun, sie muß eben jetzt ihr Spiel unterbrechen und ihm eine Weile zuhö ren. Er zieht das Jackett straff[116], dann ö ffnet er die Zimmertü r.

Das Kind schaut von den Tasten hoch[117] und lä chelt ihn an. „Vati? Wie schö n! “ Sie springt vom Klavierstuhl. „Soll ich dir einen Kaffee machen? “ Sie will sofort in die Kü che laufen. Er hä lt sie fest. „Danke, nein! “ sagt er. „Ich muß mit dir sprechen. Setz dich! “

Sie setzt sich in den groß en Sessel, in dem sie klein wie eine Puppe aussieht, und blickt erwartungsvoll zu ihm hoch.

Er rä uspert sich nervö s, geht ein paar Schritte auf und ab[118] und bleibt vor dem Sessel stehen.

„Also, Luise“, fä ngt er an, „es handelt sich um eine wichtige und ernste Angelegenheit[119]. Seit deine Mutter nicht mehr — nicht mehr da ist, bin ich allein gewesen. Sieben lahre lang. Natü rlich nicht ganz allein, ich hab’ ja dich gehabt. Und ich hab’ dich ja noch! “

Das Kind schaut ihn mit groß en Augen an.

, Wie dumm ich rede! “ denkt der Mann. Er hat eine Wut auf sich. [120] „Kurz und gut[121]“, sagt er. „Ich will nicht lä nger allein sein. Es wird sich etwas ä ndern. In meinem und dadurch auch in deinem Leben. “

Ganz still ist’s im Zimmer.

Eine Fliege summt, sie versucht durch die geschlossene Fensterscheibe ins Freie zu fliegen.

„Ich habe mich entschlossen, wieder zu heiraten! “

„Nein! “ sagt das Kind laut. Es klingt wie ein Schrei. Dann wiederholt es leise: „Bitte nein, Vati, bitte nein, bitte, bitte nein! “

„Du kennst Frä ulein Gerlach bereits. Sie hat sich sehr gern. Und sie wird dir eine gute Mutter sein. “

Lotte schü ttelt in einem fort[122] den Kopf und bewegt dabei lautlos die Lippen. Wie ein Automat, der keine Ruhe findet. Es sieht beä ngstigend aus.

Deshalb blickt der Vater wieder weg und sagt: „Du wirst dich schneller, als du glaubst, an die neue Lage gewö hnen. Bö se Stiefmü tter kommen nur noch in Mä rchen vor. Also, Luise, ich weiß, daß ich mich auf dich verlassen kann. Du bist der vernü nftigste kleine Kerl, den es gibt. [123]“ Und schon ist er aus der Tü r.

Das Kind sitzt wie betä ubt.

Herr Palfy drü ckt sich in der Garderobe den Hut[124] aufs Kü nstlerhaupt. Da schreit das Kind im Zimmer. „Vati! “ Es klingt, als ob jemand erträ nke[125].

, In einem Wohnzimmer ertrinkt man nicht‘, denkt Herr Palfy und geht. Er hat es sehr eilig. [126] Denn er muß ja mit dem Sä nger Luser arbeiten!

Lotte ist aus ihrer Betä ubung erwacht. [127] Sie zwingt sich ruhig zu ü berlegen. Was ist zu tun? [128] Denn daß man etwas tun muß, ist klar. Niemals darf Vati eine andere Frau heiraten, niemals. Er hat ja eine Frau! Auch wenn sie nicht mehr bei ihm ist. Niemals wird Lotte eine neue Mutter dulden, niemals! Sie hat ja ihre Mutter, ihre ü ber alles geliebte Mutti[129]!

Mutti darf es nicht wissen. Sie darf das ganze groß e Geheimnis der beiden Kinder nicht wissen, und vor allem nicht, daß der Vater dieses Frä ulein Gerlach zur Frau nehmen will!

So bleibt nur noch ein Weg. Und diesen Weg muß Lottchen selber gehen.

Sie holt das Telefonbuch. Sie blä ttert mit zittrigen Fingern. „Gerlach“. Es gibt nicht sehr viele Gerlachs. „Gerlach, Stefan. Generaldirektor. Koblenzallee 43. “ Vati hat neulich erzä hlt, daß Frä ulein Gerlachs Vater Restaurants und Hotels gehö ren, auch das Hotel „Imperial“, wo sie tä glich zu Mittag essen. „Koblenzallee 43“.

Nachdem Resi erklä rt hat, wie man zur Koblenzallee fahren muß, setzt sich das Kind den Hut auf, zieht den Mantel an und sagt: „Ich gehe jetzt weg. “

„Was willst du denn in der Koblenzallee? “ fragt Resi neugierig.

„Ich muß jemanden sprechen. [130]“

„Komm aber bald wieder! “

Das Kind nickt und macht sich auf den Weg. [131]

* * *

Ein Stubenmä dchen tritt in Irene Gerlachs elegantes Zimmer und lä chelt. „Ein Kind mö chte Sie sprechen, gnä diges Frä ulein. Ein kleines Mä dchen. “

Das gnä dige Frä ulein hat sich gerade die Fingernä gel frisch gelackt. Sie schwenkt die Hä nde durch die Luft[132], damit der Lack schneller trocknet. „Ein kleines Mä dchen? “

„Luise Palfy heiß t’s. “

„Ah! “ sagt das gnä dige Frä ulein. „Fü hre sie herauf! “ Das Stubenmä dchen verschwindet. Die junge Dame erhebt sich und wirft einen Blick in den Spiegel. Sie ist mit sich zufrieden.

Als das Kind ins Zimmer tritt, befiehlt Frä ulein Gerlach dem Stubenmä dchen: „Mach’ uns Schokolade! Und bringe Waffeln! “ Dann wendet sie sich freundlich an ihren Gast: „Wie nett, daß du mich besuchen kommst! Da sieht man es, wie unaufmerksam ich bin. Ich hä tte dich lä ngst schon einmal einladen sollen! [133] Willst du nicht ablegen? “

„Danke“, sagt das Kind. „Ich will nicht lange bleiben. “ „So? “ Irene Gerlach verliert ihre gö nnerhafte Miene keineswegs. „Aber zum Hinsetzen wirst du hoffentlich Zeit haben? [134]“

Das Kind setzt sich auf den Rand eines Stuhles und wendet kein Auge von der Dame.

Die Dame findet, daß die Situation allmä hlich lä cherlich wird. Doch sie beherrscht sich. Es steht immerhin einiges auf dem Spiel. [135] Auf dem Spiel, das sie gewinnen will und gewinnen wird. „Bist du hier zufä llig vorbeigekommen? “ „Nein, ich muß Ihnen etwas sagen! “

Irene Gerlach lä chelt bezaubernd. „Ich bin ganz Ohr. [136] Was ist es denn? “

Das Kind rutscht vom Stuhl, steht nun mitten im Zimmer und erklä rt: „Vati hat gesagt, daß Sie ihn heiraten wollen. “ „Hat er das wirklich gesagt? “ Frä ulein Gerlach lacht auf. „Hat er nicht vielmehr gesagt, daß er mich heiraten will? Aber das ist wohl Nebensache. Also: Ja, Luise, dein Papa und ich, wir wollen uns heiraten. Und du und ich, wir werden gewiß sehr gut miteinander auskommen. Davon bin ich fest ü berzeugt. Du nicht? Paß auf, wenn wir erst einige Zeit zusammenwohnen, werden wir die besten Freundinnen sein. Wir wollen uns beide Mü he geben. [137] Nicht wahr? “

Das Kind weicht zurü ck und sagt ernst: „Sie dü rfen Vati nicht heiraten! “

„Und warum nicht? “

„Weil Sie es nicht dü rfen! “

„Das ist keine sehr befriedigende Erklä rung“, meint das Frä ulein scharf. „Du willst mir verbieten, die Frau deines Vaters zu werden? “

„Ja! “

 „Das ist wirklich allerhand! [138]“ Die junge Dame ist aufgebracht. „Ich muß dich bitten, jetzt nach Hause zu gehen. Ob ich deinem Vater von diesem merkwü rdigen Besuch erzä hle, werde ich mir noch ü berlegen. Auf Wiedersehen! “

An der Tü r wendet sich das Kind noch einmal um und sagt: „Lassen Sie uns so, wie wir sind! Bitte, bitte... “

Dann ist Frä ulein Gerlach allein.

Sie denkt nach. Die Heirat muß man beschleunigen. Und dann muß man dieses Kind in ein Internat stecken! Sofort! Hier kann nur die strengste Erziehung noch helfen.

„Was wollen Sie denn? “ Das Stubenmä dchen steht mit einem Tablett da. „Ich bringe die Schokolade und die Waffeln. Wo ist denn das kleine Mä dchen? “

„Scheren Sie sich zum Teufel! [139]“

* * *

Der Herr Kapellmeister kommt, da er in der Oper dirigieren muß, nicht zum Abendbrot. Resi sitzt, wie in solchen Fä llen immer, mit dem Kind am Tisch.

„Du iß t ja heute gar nichts“, bemerkt Resi vorwurfsvoll. „Was hast du denn? [140]“

Lotte schü ttelt den Kopf und schweigt.

Die Haushä lterin ergreift die Kinderhand. „Du hast ja Fieber! Gleich gehst du ins Bett! “ Dann trä gt sie das vö llig apathische Geschö pf ins Kinderzimmer, zieht es aus und legt es ins Bett.

„Nichts dem Vati erzä hlen! “ murmelt die Kleine. Ihre Zä hne klappern. Resi tü rmt Kissen und Decken ü bereinander. [141] Dann rennt sie zum Telefon und ruft den Hofrat Strobl an.

Der alte Herr verspricht, sofort zu kommen. Er ist genau so aufgeregt wie die Resi.

Sie ruft in der Staatsoper an. „Gut! “ antwortet man ihr. „In der Pause werden wir es dem Herrn Kapellmeister ausrichten. “

Resi rennt wieder ins Schlafzimmer. Das Kind schlä gt um sich und stammelt unverstä ndliche Worte. Die Decken und Kissen liegen am Boden.

Wenn bloß der Herr Doktor kä me! [142] Was soll man machen? Kompressen? Aber was fü r? Welche? Kalte? Heiß e? Nasse? Trockene?

* * *

In der Pause sitzt der Kapellmeister Palfy in der Garderobe der Sopranistin. Sie trinken einen Schluck Wein und reden vom Theater. Die Leute vom Theater reden immer vom Theater. Das ist nun einmal so. [143] Da klopft es. „Herein! “ Ein Angestellter tritt ein. „Endlich finde ich Sie, Herr Kapellmeister! “ ruft der alte Mann aufgeregt. „Man hat uns aus der Rothenturmstraß e angerufen. Das Frä ulein Tochter ist plö tzlich krank geworden. Der Herr Hofrat Strobl ist schon bei dem Kind. “

Der Herr Kapellmeister sieht blaß aus. „Danke schö n“, sagt er leise. Der Angestellte geht.

„Hoffentlich ist es nichts Schlimmes“, meint die Sä ngerin. „Hat die Kleine schon die Masern gehabt? “

„Nein“, sagt er und steht auf. „Entschuldige! “ Als sich die Tü r hinter ihm geschlossen hat, rennt er aus allen Krä ften. Wo ist ein Telefon? Er telefoniert: „Hallo, Irene! “ „Ja, Liebling? Ist denn schon Schluß? Ich bin noch nicht fertig zum Ausgehen. “

Er berichtet hastig, was er eben gehö rt hat. Dann sagt er: „Ich fü rchte, wir kö nnen uns heute nicht sehen! “ „Natü rlich nicht. Hoffentlich ist es nichts Schlimmes. Hat die Kleine schon. die Masern gehabt? “

„Nein“, antwortet er ungeduldig. „Ich rufe dich morgen frü h wieder an. “ Dann legt er den Hö rer auf.

Ein Signal ertö nt. Die Pause ist zu Ende. Die Oper und das Leben gehen weiter.

* * *

Endlich ist die Oper aus! Der Kapellsmeister rast in der Rothenturmstraß e die Treppe hinauf.

Resi ö ffnet ihm. Sie hat noch den Hut auf, weil sie in der Nachtapotheke war.

Der Hofrat sitzt am Bett.

„Wie geht’s ihr denn? [144]“ fragt der Vater flü sternd.

„Nicht gut“, antwortet der Hofrat. „Aber Sie kö nnen ruhig laut sprechen. Ich habe ihr eine Spritze gegeben. “

Lottchen liegt im Bett. Ihr Gesicht glü ht, sie atmet schwer. Sie hat das Gesicht verzogen, als tue ihr der kü nstliche Schlaf sehr weh. [145]

„Masern? “

„Keine Spur[146]“, brummt der Hofrat.

Resi kommt ins Zimmer und schluchzt leise.

„Nun nehmen Sie endlich den Hut ab! “ sagt der Kapellmeister nervö s.

„Ach ja! Entschuldigen Sie! “ Resi nimmt den Hut ab und behä lt ihn in der Hand.

Der Hofrat schaut die beiden fragend an. „Das Kind macht offenbar eine schwere seelische Krise durch“, meint er. „Wissen Sie davon? Haben Sie wenigstens eine Vermutung? [147]“

Resi sagt: „Ich weiß freilich nicht, ob das damit verbunden ist, aber... Heute nachmittag ist sie ausgegangen. Weil sie jemanden sprechen muß te! Und ehe sie ging, hat sie gefragt, wie sie am besten zur Koblenzallee kommt. “

„Zur Koblenzallee? “ fragt der Hofrat und schaut zu dem Kapellmeister hin.

Palfy geht rasch zum Apparat und telefoniert. „War Luise heute nachmittag bei dir? “

„Ja“, sagt eine Frauenstimme. „Aber wieso erzä hlt sie dir das? “

Er gibt darauf keine Antwort, sondern fragt weiter: „Und was wollte sie? “

Frä ulein Gerlach lacht ä rgerlich. „Sie kann dir das selbst erzä hlen! “

„Antworte, bitte! “

Ein Glü ck, daß sie sein Gesicht nicht sehen kann!

„Sie kam, um mir zu verbieten, deine Frau zu werden! “ erwidert sie gereizt.

Er murmelt etwas und legt den Hö rer auf.

„Was fehlt ihr denn? [148]“ fragt Frä ulein Gerlach. Dann merkt sie, daß das Gesprä ch getrennt ist. „So ein kleines Biest“, sagt sie halblaut, „kä mpft mit allen Mitteln! Legt sich hin und spielt krank. [149]“

* * *

Der Hofrat verabschiedet sich und gibt noch einige Anweisungen. Der Kapellmeister hä lt ihn an der Tü r zurü ck. „Was fehlt dem Kind? “

„Nervenfieber. Ich komme morgen frü h wieder. Gute Nacht wü nsche ich. “

Der Kapellmeister geht ins Kinderzimmer, setzt sich neben das Bett und sagt zu Resi: „Ich brauche Sie nicht mehr. Schlafen Sie gut! “

„Aber es ist doch besser... “

Er schaut sie an.

Sie geht. Sie hat den Hut noch immer in der Hand.

Er streichelt das kleine, heiß e Gesicht. Das Kind erschrickt im Fieberschlaf und wirft sich wild zur Seite.

Der Vater sieht sich im Zimmer um. Der Schulranzen liegt fertiggepackt[150] auf dem Pult. Daneben sitzt Christi, die Puppe.

Er steht leise auf, holt die Puppe, lö scht das Licht aus und setzt sich wieder ans Bett.

Nun sitzt er im Dunkeln und streichelt die Puppe, als wä re sie das Kind[151]. Ein Kind, das vor seiner Hand nicht erschrickt.

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