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Fragen zum Thema. Kapitel XIX. Die deutsche Literatur im 20. Jahrhundert I




Fragen zum Thema

1. Woran erkennt man, dass sich die Kü nstler und Schriftsteller von der klassisch-romantischen Tradition lö sen?

2. Warum kann man den „Grü nen Heinrich“          als Entwicklungsroman bezeichnen?

3. Was treibt Romeo und Julia in den Freitod?

4. Wie zeichnet Fontane den Menschen und seine Welt in „Frau Jenny Treibel“?

5. In welchem Licht erscheinen Sitten in „Effi Brist“?


  Kapitel XIX

Die deutsche Literatur im 20. Jahrhundert I

Nur der Denkende erlebt sein Leben, am Gedankenlosen zieht es vorbei. (Marie Ebner-Eschenbach)

 

Der Imperialismus in Deutschland hatte sich vor der Wende zum neuen Jahrhundert zum herrschenden System entwickelt. Die Wirtschaftskrise in den ersten Jahren des Jahrhunderts, der Aufschwung der sozialistischen Massenbewegung, Militarismus und Krieg in der internationalen Arbeiterbewegung und schließ lich die Entfesselung des Ersten Weltkrieges waren wesentliche Vorgä nge deutscher Geschichte, die einen groß en Einfluss auf die Entwicklung der Literatur ausü bten. Es entstanden Romane von neuen Formen und Inhalten. Moderne Romane gestalteten die Existenzkrise des Individuums, das hä ufig die Orientierung in der Welt verliert (Franz Kafka) oder sich blind unterwirft (Heinrich Mann).

 

Heinrich Mann (1871–1950) war ein bedeutender Romanschriftsteller, Novellendichter, Dramatiker und gedankentiefer Essayist. Er ging den Weg seines Jahrhunderts.

Heinrich Manns Heimatstadt ist Lü beck. Er stammte aus einem wohlhabenden Patrizierhaus. Mann lernte im Buchhandel, studierte in Berlin und Mü nchen. Mit seinem jü ngeren Bruder Thomas lebte er in Italien. Heinrich Mann begrü ß te die


Novemberrevolution 1918 in Deutschland und entfaltete in der ihn enttä uschenden Weimarer Republik (1918–1933) als aufrechter Demokrat eine publizistische Tä tigkeit.

1933 wurde er aus der Preuß ischen Dichterakademie ausgeschlossen, seine Bü cher wurden verboten und verbrannt. Mann emigrierte nach Frankreich und nach der Okkupation seines Asyllandes 1940 nach Kalifornien, wo er

gestorben war.

In der Verbannung widmet der Dichter seine Krä fte der Publizistik. Er schreibt antifaschistische Essays und Briefe an sein Volk. In seinen berü hmten Romanen „Die Jugend des Kö nigs Henri Quatre“ und „Die Vollendung des Kö nigs Henri Quatre“ gestaltet Mann seine humanistischen Ansichten.

Wenige Wochen vor Ausbruch des


Ersten Weltkrieges vollendete Heinrich Mann seinen Roman „Der Untertan“, der


Heinrich Mann


wie kaum ein anderes zeitgenö ssisches Werk eine schonungslose Satire der Zeit und zugleich eine Waffe im Kampf gegen die Ü berreste einer preuß isch-militaristischen und nazistischen Ideologie war.

Mann nutzte auch andere seiner Romane wie „Im Schlaraffenland“ oder „Professor Unrat“, um die sozialen und politischen Verhä ltnisse in Deutschland scharf zu kritisieren. In seinem Kampf fü r demokratische, pazifistische und soziale Ziele wurde er zu einem schonungslosen Gegner nicht nur der wilhelminischen Zeit, sondern spä ter auch des Nationalsozialismus.

 

Heinrich Mann schrieb ü ber seinen Roman „Untertan“: „Den Roman des bü rgerlichen Deutschen unter der Regierung Wilhelms des Zweiten dokumentierte ich seit 1906. Beendet habe ich die Handschrift 1914, zwei Monate vor Ausbruch des Krieges, der in dem Buche nahe und unausweichlich erscheint. Auch die deutsche Niederlage. Der Faschismus gleichfalls, wenn man die Gestalt des


„Untertan“ nachträ glich betrachtet. Mir fehlt von dem ungeborenen Faschismus der Begriff, und nur die Anschauung nicht“.

Das Thema des Romans bildet die unaufhaltsame Entwicklung der deutschen Bourgeoisie neuer imperialistischer Prä gung, die an die Stelle des patriarchischen deutschen Bü rgertums tritt. Die Hauptperson, Diederich Heß ling, verkö rpert die schlimmsten Eigenschaften dieser Klasse. Als kleiner Junge beobachtet Diederich schon die verlogenen Familienverhä ltnisse im Elternhaus, in welchem die Atmosphä re des Verrats, des Betrugs, der Lü ge und Misshandlung herrscht. Der Vater verkö rpert die Macht im Hause, und der Junge hat Angst vor ihm. Die sechs Kapitel des Buches erzä hlen mit autobiographischen Anspielungen auf Heinrich Manns Geburtsstadt Lü beck die Lebensgeschichte des Bü rgers Diederich Heß ling von seiner Kindheit bis zur Sicherung seiner Stellung in seiner Heimatstadt Netzig. Realistisch werden die Trä ume des Kindes beschrieben, die Taten des Schü lers, die Erfahrungen des Studenten in Berlin: Demü tigungen durch einen Stä rkeren, Eingliederung in die Korporation, Liebesaffä re mit Agnes Gö ppel, der Tochter eines Geschä ftspartners. Diederich drü ckt sich vor dem Militä rdienst, obwohl er das Militä r idealisiert. An der Kette von Episoden und Heß lings Reden, der Kaiserreden zitiert, wird die Doppelrolle Heß lings als Tyrann und Untertan entwickelt.

Fü r Heinrich Mann ist Diederich Heß ling ein typisches Produkt der wilhelminischen Gesellschaft. Diese Gesellschaft ist aus der Sicht des Schriftstellers moralisch verwü stet und verdorben. In Heß lings Werdegang werden die Mö glichkeiten einer Persö nlichkeitsentwicklung zerstö rt, er lernt statt dessen, seine Rolle als Untertan immer besser zu spielen, und wird mit Erfolg belohnt. Aus einem kleinen, unsicheren Spieß er wird er ein moderner Wirtschaftsfü hrer. Auf satirische Weise entlarvt Heinrich Mann die wilhelminische Gesellschaft als zutiefst korrupt, verlogen und dem Untergang geweiht. Im Roman gibt es keine positive Persö nlichkeit. Sogar alle Frauengestalten erwecken Ekel und Empö rung.


Thomas Mann (1875–1955) hat seinen Familienroman

„Buddenbrooks“ (1901) geschrieben, fü r den er im Jahre 1929 den Nobelpreis fü r Literatur erhielt. Der Roman hat den Untertitel „Verfall einer Familie“. Die Handlung umfasst den Zeitraum 1835–1877. Mann zeigt hier das Leben vier Generationen einer Lü becker Kaufmannsfamilie. Er wollte diese Familie in ihrer biologischen Degeneration schildern. Je stä rker sich die Mitglieder der alten Kaufmannsfamilie der bü rgerlichen Lebensweise entfremden, desto mehr

sind sie physisch bedroht.

Der Senator Thomas Buddenbrook ist gefä hrdet, sein Sohn Hanno, ein schwaches, krä nkliches Kind, geht zu Grunde. Der Dichter zeigt realistisch den Verfall des deutschen Bü rgertums zur Zeit der beginnenden imperialistischen Entwicklung. Elegisch zart schildert Mann die Patriziertraditionen, die alten Sitten der Familie Buddenbrooks, die


moralische Sauberkeit der alten Bü rger. Er schildert auch das Hinü berwachsen des alten Bü rgertums in die moderne


Thomas Mann


Bourgeoisie, die neue Zeichen der Zeit mitbringt: Bö rsenspekulationen, Bö rsenspiel und Betrug. Die alten Grundsä tze der Kaufmannschaft mü ssen vor der Gewissenlosigkeit und Barbarei weichen.

Der Schriftsteller erzä hlt die Geschichte seiner eigenen Familie. Selbst das Haus in Lü beck, wo Thomas Mann geboren war, wurde spä ter das Buddenbrooksche Haus genannt. Das ist aber nicht nur die Geschichte seiner Familie, sondern auch das Schicksal seiner Klasse.

Die Romane, wie „Der Zauberberg“ (1924), „Joseph und seine Brü der“ (1933/43), „Lotte in Weimar“ (1939), „Doktor Faustus“ (1947), sind auch weltberü hmt geworden. Neben den Romanen schrieb Thomas Mann Novellen und Erzä hlungen, wie „Tonio Krö ger“ (1902), „Tristan“ (1903), „Der Tod in Venedig“ (1913).


1933 musste er Deutschland verlassen und in die Emigration gehen, zuerst in die Schweiz, dann in die USA. Seine Werke wurden in Deutschland verboten, aus Bü chereien und Buchlä den entfernt und verbrannt. Nach dem Krieg lebte und arbeitete Mann in der Schweiz, wo er gestorben war.

 

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